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Helene Schoettle

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Ein Portrait über die "schwäbische Mutter Theresa"

hs


Helene Schoettle (leichte Sprache)

Helene Schoettle erlebt sehr viel
in ihrem Leben.
Sie wird 91 Jahre alt.
In 91 Jahren ist viel passiert in der Welt.
 
Helene wird am 19. April 1903 geboren
in Stuttgart im Stadt·teil Münster.
Mit 14 Jahren arbeitet Helene in einer Fabrik.
In der Frei·zeit macht Helene
den Schul·abschluss in der Handels·schule.
Mit 16 Jahren wird sie Mit·glied in der Partei SPD.
 
1925 heiratet Helene Erwin Schoettle.
Erwin Schoettle arbeitet bei einer Zeitung.
Er schreibt Texte für die Zeitung.
1928 bekommt Helene Schoettle eine Tochter.
Die Tochter heißt Doris.
 
Die Familie tut viel Gutes für andere Menschen.
Das gefällt den Nazis nicht.
Die Famillie bringt sich in Sicherheit.
1933 zieht Familie Schoettle in die Schweiz.
1939 zieht Familie Schoettle nach England.
Der Krieg beginnt.
 
Familie Schoettle kommt nach dem Krieg
1946 zurück nach Stuttgart.
Helene Schoettle hilft wieder anderen Menschen.
Helene Schoettle eröffnet Heime:
Das Pestalozzi·heim
und ein Alten·heim.
 

Helene Schoettle eröffnet über 100 Näh·stuben.
In den Näh·stuben arbeiten viele Frauen.
Das hilft den Frauen
in der schweren Zeit nach dem Krieg.

 
 Helene Schoettle hilft vielen Menschen:
Alten Menschen und Menschen mit Behinderung.
1960 gründet sie mit anderen Menschen
den Verein „Lebens·hilfe für geistig  Behinderte“.
Im Verein ist Helene Schoettle im Vorstand.
Das heißt:
Helene Schoettle trifft wichtige Entscheidungen.
 
 24 Jahre lang ist Helene Schoettle
Mitglied im Gemeinde·rat in Stuttgart.
Bis 1975.
Helene Schoettle ist bei den Menschen sehr beliebt.
Bei der Wahl zum Gemeinde·rat
bekommt Helene Schoettle mehr Stimmen als alle anderen.
 Rathaus Stuttgart
 1976 stirbt Erwin Schoettle.
Die Tochter Doris stirbt auch früh.
 
 Im Jahr 1983 bekommt Helene Schoettle
vom Bundes·präsident von Deutschland
das Bundes·verdienst·kreuz.
Das ist eine große Ehre.
 
Am 90. Geburtstag von Helene Schoettle
ist eine Geburtstags·feier im Rat·haus in Stuttgart.
Der Bürger·meister Manfred Rommel sagt:
„Stuttgart bedankt sich.
Sie haben sich sehr stark eingesetzt“.
 
Helene Schoettle stirbt am 24. August 1994 mit 91 Jahren.
Das Grab ist auf dem Wald·fried·hof in Stuttgart.
 
Bei der Beerdigung sagt Bürger·meister Rommel:
„Helene Schoettle war eine besondere Frau.
Man konnte glauben was sie sagte.“
 

Helene Schoettle (Ganzer Text)

Kaiserreich, Erster Weltkrieg, die Revolution 1918, Weimarer Republik und Massenarbeitslosigkeit, Nazidiktatur, Emigration, Zweiter Weltkrieg und fast 50 Jahre Bundesrepublik - eine Frau aus Stuttgart erlebte Zeitgeschichte.

Am 19. April 1903 wurde Helene Osswald in Stuttgart-Münster geboren, wo sie auch aufwuchs. Als 14-Jährige begann sie, in einer Fabrik zu arbeiten und absolvierte nebenbei die Handelsschule. 1919 trat sie der damaligen Jugendorganisation der SPD bei.

1925 folge die Heirat mit Erwin Schoettle, der gelernter Schriftsetzer war und damals als Redakteur der "Schwäbischen Tagwacht" arbeitete. Drei Jahre später kam die einzige Tochter Doris auf die Welt, die noch vor Helene Schoettle starb.

Das starke soziale Engagement des Ehepaars führte zu Kontroversen mit dem NS-Regime. 1933 emigrierten Erwin und Helene Schoettle nach St. Gallen in der Schweiz, kurz vor Kriegsausbruch 1939 siedelten sie nach England über.

Erst 1946 kehrten die Schoettles in die Heimat zurück. Im schwäbischen Stuttgart, an dem ihr Herz hing, widmete sich Helene Schoettle dem Aufbau bedeutender Sozialbauwerke; so schuf sie das Pestalozzi-Heim der Arbeiterwohlfahrt in der Olgastraße und das Altenheim am Pfostenwäldle. Unmittelbar nach dem Krieg etablierte sie 123 Nähstuben als Hilfe zur Selbsthilfe. Lange Jahre pflegte sie ehrenamtliche Tätigkeiten in zahlreichen Organisationen der freien Wohlfahrtspflege und im Gemeinderat der Stadt Stuttgart, dem sie von 1951 bis 1975 angehörte - fast ein Vierteljahrhundert.

Helene Schoettles Hauptinteresse galt vor allem den älteren Menschen und den Behinderten. Ihre humanitäre Grundhaltung kam etwa auch ab 1960 zum Ausdruck, als sie Mitbegründerin des Vereins und Elternverbands "Lebenshilfe für geistig Behinderte" wurde und in dessen Vorstand sie jahrelang aktiv war. Auch im Gemeinderat war ihre Arbeit von massivem Zuspruch der Bevölkerung gekrönt; drei Mal erzielte sie die höchsten Stimmenzahlen aller Zeiten. "Zur Politik hat mr mich nie zwinga müsse, des war für mich selbstverständlich", sagte die "schwäbische Mutter Theresa" in einem Zeitungsinterview anlässlich ihres 85. Geburtstags. 1983 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse; ihr Mann Erwin, ein Weggefährte Kurt Schumachers, der es bis zum Bundestags-Vizepräsidenten und zum Stuttgarter Ehrenbürger brachte, starb, wie die Tochter, ebenfalls früh im Jahr 1976.

In bester Mundart gab sie zeitlebens knorrige Sprüche von sich. Etwa: "Solche Not kennt die heutig' Jugend gar net, derra fliegt älles zu, dui muss für nix kämpfa." Oder: "Vielleicht müßt' in dr Schul' schon a bissle mehr für die politische Bildung do werda."

Zu ihrem 90. Geburtstag gab es eine Feierstunde im Rathaus - der damalige Oberbürgermeister Manfred Rommel betonte: "Die Stadt schuldet Dank - Sie haben sich in außergewöhnlichem Maße engagiert!"

Am 24. August 1994 starb die Politikerin. Auf dem Waldfriedhof wurde die große alte Dame der Stuttgarter Sozialdemokratie beigesetzt. Und wieder sprach Oberbürgermeister Rommel: "Helene Schoettle war eine Persönlichkeit mit Format. Sie besaß das, wonach Politiker sich oft vergebens sehnen: Glaubwürdigkeit."

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